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Warum das Verlassen der Komfortzone Quatsch ist
Die Komfortzone ist der Bereich, in dem du dich mit deinen Fähigkeiten sicher, routiniert und stressfrei bewegst. Sie bietet Stabilität, hemmt jedoch oft persönliches Wachstum, da neue Herausforderungen vermieden werden.
Neue Fähigkeiten zu erwerben oder Erfahrungen zu machen ist immer eine Herausforderung. Grössere Herausforderungen lassen das Gefühl von Angst aufkommen. Wer hat nicht schon mal vor einer wichtigen Prüfung ein mulmiges Gefühl gehabt? Das ist ganz natürlich. Die Angst ist ein Schutzmechanismus, der uns vor den Folgen einer zu grossen Herausforderungen schützen soll. Oft hören wir dann den Ratschlag "Du musst deine Komfortzone verlassen, wenn du etwas erreichen willst!"
Wenn wir das Verhalten und die Bedürfnisse von Kleinkindern beobachten, erkennen wir, warum dieser Ratschlag Quatsch ist.
Ich bin 7 Jahre älter als mein Bruder. Deshalb erinnere ich mich an ein bedeutendes Ereignis: Mein Bruder war damals rund 1 Jahr alt. Seit gefühlt einer Ewigkeit spielte er im Wohnzimmer an unserem Clubtisch, auf der einen Seite des Tischs ein Sofa, auf der anderen zwei Polsterstühle. Stets hatte er die Möglichkeit, sich mit dem Körper oder den Händen irgendwo abzustützen. Er lebte in seiner damaligen Komfortzone. Wir können auch von einer Blase des Wohlfühlens und der Sicherheit - einer Schutzblase - sprechen. Doch eines Tages schien er sich in dieser Komfortzone so wohl zu fühlen, dass er sich erlaubte, einen Ausflug über deren Rand hinaus zu wagen. Er lief, als wäre es nichts Besonderes, freihändig in die Küche und hatte damit seine Komfortzone erweitert. Zu einem Zeitpunkt, der für ihn stimmte und in ihm wohl auch Glücksgefühle auslöste.
Ich erinnere mich auch noch gut an die ersten Ausflüge mit unseren Kindern auf Spielplätze. Da war zuerst immer unsere führende oder stützende Hand gefragt. Sei es beim Besteigen der Leiter, die ins Starthäuschen der Rutschbahn führte, beim Runterrutschen auf der Rutschbahn, beim Klettern in den Seilnetzen. Doch nach einigen Versuchen war die Hand nicht mehr gefragt, etwas später konnte wir Eltern uns auch auf die Bank setzen. Einfach in der Nähe sein genügte, falls Hilfe nötig wurde. Stolz und voller Glücksgefühle riefen die Kinder: "Schaut mal, ganz alleine hochgeklettert!"
Mit Grundfertigkeiten, die den Gleichgewichtssinn gestärkt und das Gefühl von Geschwindigkeit vermittelt hatten, waren die Kinder dann auch bald in der Lage, die Fertigkeit des Radfahrens mit dem Laufrad weitgehend selber zu erlernen. Die Fertigkeiten des Tretens hatten sie bereits mit dem Dreirad erlernt. Und so brauchte es beim ersten echten Fahrrad - ohne Stützräder - nur etwas Instruktion über die Funktion der Bremsen und einen Anschubs für die erste Fahrt.
Die Komfortzone ist kein unveränderlicher Raum. Als Kinder streben wir von Natur aus danach, unsere Komfortzone zu vergrössern, und zwar aus einem Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit heraus. Wenn diese Grundbedürfnisse erfüllt werden, steht dem kontinuierlichen Wachstum der Komfortzone nichts im Wege.
Was war denn nun der Auslöser, dass wir dieses angeborene Verhalten aufgaben und begannen, "harte Arbeit" zu idolisieren, Sprichworte geboren wurden wie "Du musst die Komfortzone verlassen.", "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen." oder "Was dich nicht umbringt, macht dich stärker."?
Es war die industrielle Revolution. Sie führte zu einer beschleunigten Entwicklung von Technik, Produktivität und Wissenschaft und das wiederum zu Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung. In der Folge entstand ein grosser Bedarf an "Arbeitern". Zu deren Gewinnung wurde ein effektives und effizientes System benötigt. Das natürliche Verhalten, zu dem Kinder neigen, um ihre Fertigkeiten weiterzuentwickeln, schien da keinen Platz mehr zu haben: Bildung und Erziehung wurden standardisiert.
In den Worten von Albert Einstein:
"Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein."
So wurde unseren Kindern gelehrt, dass sie, um in dieser Gesellschaft (Schafherde) funktionieren zu können, in ein bestimmtes Schema (Schaf) passen müssen - ein Schema, in dem sich viele unwohl fühlen oder sogar mit ihm hadern.
Zweifelsfrei hat diese Standardisierung zu einem hohen Bildungsniveau und viel Wohlstand unserer Gesellschaft geführt. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite zeigt bist heute viele Opfer, die einfach zu weit weg vom Standard sind und dadurch den Spass am Lernen verlieren, nicht ihrer Berufung nachgehen können, keinen Platz in der Gesellschaft finden oder im Extremfall die Freude am Leben verlieren.
Spass, d.h. die Freude am Tun, hatte beim Lernen und Arbeiten keinen Platz mehr. Spass zu haben wurde als "kindisch" abgetan.
Wie glücklich waren wir doch im Vorschulalter, wenn wir unsere Erfolge feiern durften und uns erfüllt fühlten! Diese Freude führte zu einer sogenannten intrinsischen Motivation, einem inneren Antrieb, der Anlass und Ansporn zum selbstbestimmten Handeln im Sinne des kontinuierlichen, persönlichen Wachstums unserer Komfortzone war.
Mein Fazit
Das Erlernen neuer Fähigkeiten muss Spass machen! Ein solches Wachstum erfolgt am Rande deiner Komfortzone mit einer gesunden Portion an Unbehagen vor einer neuen Herausforderung. Dort erlernst du neue Fähigkeiten, vergrösserst deine Wissensbasis und erweiterst dein Vorstellungsvermögen. All das gibt dir grosse Kraft, Dinge zu erreichen, von denen du bisher vielleicht nicht mal geträumt hast.
Kinder im Vorschulalter verbringen von Natur aus sehr viel Zeit damit, die Grenzlinie zwischen Wohlbehagen und Unbehagen zu erforschen. Von dort aus dehnen sie vorsichtig die Grenzen ihrer Komfortzone aus. Ermöglichen wir doch auch Kindern im Schulalter, Jugendlichen und Erwachsenen, ihre Komfortzone auf die "kindische" Art zu erweitern.
Wenn du die Komfortzone verlässt, lehnst du dich selber, d.h. deine Bedürfnisse nach Sicherheit und Geborgenheit, ab. Du gefährdest deine aktuelle Stabilität, dein Gleichgewicht, durch Überforderung und riskierst hochgradiges Scheitern. Das löst Ängste aus und kann zu Erschöpfungsdepressionen, Burn-outs oder Traumata führen.
Mit einer Methapher ausgedrückt: Wachse wie ein Baum
Stell dir deine Komfortzone wie den Querschnitt eines Baumstammes mit seinen Jahresringen vor. Der Stamm repräsentiert Stärke, die Jahresringe Wachstum. Wenn wir unsere Komfortzone vernachlässigen bleibt bildhaft der Stamm deines Baumes dünn und in der Folge der ganze Baum klein und schwach. Selbst die sanfteste Brise (des Lebens) ist eine grosse Belastung und Stürme (des Lebens) werden zur Bedrohung.
Deshalb: Pflege deine Komfortzone und lasse sie bewusst in für dich passenden Schritten (Ringen) wachsen. Die Fähigkeiten, die du dadurch gewinnst, kannst du mit den Zweigen und dem Blattwerk des Baumes vergleichen, die in den Himmel wachsen. Gleichzeitig wirst du aber auch robuster und standhafter, genauso wie ein wachsender Baum seine Wurzeln tiefer in die Erde gräbt.
Zum Schluss muss ich die oben genannte Sprichworte ein wenig in Schutz nehmen, denn sie sind oft Kurzformen von Lebensweisheiten, taugen aber nicht als Lebensregeln, wenn wir sie wörtlich anwenden. Vielmehr sind sie der "Tritt in den Hintern" endlich unseren inneren Schweinehund zu überwinden. Nehmen wir als Beispiel den "Sprung ins kalte Wasser". Ich glaube, wir alle wissen, dass dieser aus mehreren Gründen lebensgefährlich sein kann. Nämlich wenn beispielsweise das Wasser zu wenig tief ist oder unser Körper einer zu hohen Temperaturdifferenz ausgesetzt wird.
In diesem Sinne: Nehmt die Sprichworte als Ansporn etwas für euer Wachstum zu unternehmen, aber handelt nicht ohne Vernunft und Vorbereitung. Schwimmen lernen wir schliesslich auch nicht dadurch, dass wir uns vom Schönausteg in die Aare stürzen, auch nicht an Land, obwohl Trockenübungen eine gute Vorbereitung sein können, sondern vorher schön der Reihe nach in einem Plansch-, Nichtschwimmer- und Schwimmbecken - vielleicht auch noch mit Schwimmhilfen oder einem Schwimmcoach!
Finde heraus, wie du die Grenzen deiner Komfortzone mit Freude und Leichtigkeit erweiterst, Erfolge feiern kannst und Glück empfindest!
Warum?
Weil deine Komfortzone der Ort ist, der dir die Schwungkraft verleiht, dein Wachstum auf eine Weise zu erzeugen, die sich für dich richtig und angenehm anfühlt.
Menschen, die den Rand ihrer Komfortzone kontinuierlich ausdehnen,
- sind auf dem Weg, die beste Version der Person zu werden, zu der sie bestimmt sind,
- entwickeln eine Kreativität, die Ideen scheinbar mühelos fliessen lässt,
- fühlen sich ausgeglichener, stabiler, zuversichtlicher, entspannter, sicherer und gelassener,
- empfinden eine höhere Lebensqualität,
- strahlen eine Leuchtkraft aus, die sich auch auf ihre Mitmenschen überträgt.
Du willst deine Komfortzone wachsen lassen? Der Karriere-Schuhlöffel hilft dir in einer individuellen Beratung mit Hilfe verschiedener Methoden deinen authentischen Wachstumsplan zu erstellen.